Szenen eines Sommers

Wann fängt der Sommer an? Wenn die Schwalben da sind. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Viele Schwalben aber schon.

Dramatische Wolken, von unten beschienen, türmen sich zu gewaltigen Gebilden. Dunkelgrau, fast blau-schwarz. Die Schwalben schießen wie Silberpfeile hindurch. Durchkreuzen den Himmel, schaffen immer wieder neue Verbindungen.

Die grüne Hölle. Wachsen, sprießen, sich entfalten.

Der Wind, der durch das Tal fegt. Staub in der Luft. Gräserstreifen wogen wie Meereswellen.

Eintauchen im Fluß, abtauchen und aufatmen. Erschrecken vor der Kälte und dann wohliger Schauer. Leicht werden, fließen. Durch das seichte Wasser streichen.

Auf einmal ist er da, der warme Wind. Sanft streichelt er an mir vorbei. Keck, herausfordernd beruhigend und erhebend. Entspannung, Wohlgefühl. Aufatmen. Pause von der Kälte, die tief im Körper sitzt und alles zusammenzieht. Vieles klein hält.

Der Geruch von frisch gemähtem Gras. Ordentliche Reihen liegen auf den kurzen Stoppeln. Absurd akkurat gescheitelte Wiese. Die Wachstumskraft gezähmt, begradigt, abgelegt.

Sektperlen in der Luft. Prickeln und kitzeln am Gaumen. Das Lachen muss raus aus dem Bauch. Ungestümes dahin Rauschen durch die laue Sommernacht. Hollunderduft auf warmem Asphalt.

Wenn es heiß ist, sich nix mehr regt. Beim Verlassen des Schattens schaue ich auf meine Arme und fühle, wie es brutzelt. Halte den Atem an, ziehe den Kopf ein. Die Augen können nicht mit so viel Helligkeit umgehen. Blinzeln, zögern. Was wollte ich eigentlich hier draußen?

Heu machen mit Gewitter in Aussicht. Stress. Aus Menschen und Maschinen wird alles herausgeholt. Das Grollen und Blitzen am Horizont und am Ende die Erleichterung, das Heu ist trocken geblieben. Baden im Fluss. Den kratzigen Heustaub abspülen. Das erste Bier. Ruhiges Zusammenkommen, Respekt für die Leistung. Später ausgelassener, fröhlich, versammelt am großen Tisch. Bis die Mücken alle wieder auseinandertreiben.

Warten auf Regen. Es ist zu trocken, seit Jahren. Wochenlang verschieben sich die Regentage in der Vorschau. Wenn es endlich soweit ist, der Wind auffrischt und es vorsichtig prasselt, kommt gleichzeitig die Enttäuschung. Es war nicht viel. Nicht genug. 

Der nächste Schwung Schwalben ist geschlüpft. Unermüdlich fliegen die Eltern zum Nest. Kreisen über den Hof, füttern ihre Jungen. Am heißesten Tag verlassen einige Jungvögel, gedrängt von der Hitze, das Nest. Können noch nicht richtig fliegen. Halb in der Nest- und halb in der Außenwelt gefangen. 

Das rote Kleid mal wieder angezogen und los gehüpft zum Tanzen. Pure Freude an der Bewegung, der Musik. Die Kinder strahlen, versuchen mitzuhalten, sich die Schritte zu merken. Die Erwachsenen kichern. Ich will mehr, mehr Feiern, mehr Gemeinschaft. Die Sonnenzellen wieder aufladen. 

Der Wald nach dem Regen. Ich atme die kühle Luft mit allen Poren. Die Vögel sind klarer und lauter als sonst. 

Reisezeit. Unterwegs sein ohne Plan und Ziel. Verantwortungs- und sorgenlos. Zur Ruhe kommen, bei sich ankommen. Das Gute wahrnehmen. Die Probleme nicht ausblenden. Wieviel auf einmal frei wird, wenn man nicht mehr zuständig ist. Nicht für die Kinder, nicht für den Alltag.

Beim Festival einfach einschlafen. Im warmen Sand, die Musik im Ohr und umgeben von Menschen. Getragen von einem Gefühl der Geborgenheit. Wie ein Kind. Gefüllt mit Melodien und Gefühlen.

Ich liege im Schatten des Zeltes und schaue in den Himmel. Freiraum und Wärme. Zeit für mich. Zeit zum Leerlaufen.

Zurück auf dem Hof ist es Herbst. Ich atme auf. Eine Superzelle hat viel Regen gebracht. Jetzt kommt meine Zeit, die Herbstzeit. Wo Melancholie normal ist. Herbst ist Abschied und Ernte. Es war ein satter Sommer. 

Die Schwalben versammeln sich auf den Dächern und Leitungen. Und eines Morgens sind sie weg.